Primäre Ovarialinsuffizienz (POF) bei Kinderwunsch: Was tun?

Meine Eizellreserve ist fast erschöpft... mein Kinderwunsch-Arzt sagt, ich habe eine vorzeitige Eierstockschwäche und komme frühzeitig in die Wechseljahre!“. 😟

Mittlerweile habe ich den Eindruck gewonnen, dass immer mehr Frauen mit der Diagnose „Primäre Ovarialinsuffizienz“ auch POF genannt (POF = Premature-Ovarian-Failure-Syndrom) konfrontiert werden.

Foto: Unsplash_ Ben_White
Dass die Eizellen frühzeitig zur Neige gehen, löst meist einen Mega-Schock bei den betroffenen Frauen aus. Diese Panik ist verständlich, denn den meisten Frauen ist bewusst, dass Eizellen „immer schon da“ und nicht mehr neu gebildet werden. Eizellen werden im Verlauf des Lebens einfach immer nur weniger... Wenn dann der Kinderwunscharzt sagt, die Eizellreserve ist fast aufgebraucht, ist das für Frauen mit Kinderwunsch eine Hiobsbotschaft!

Was das eigentlich bedeutet und was du tun kannst, um deinem Kinderwunsch trotzdem eine Chance zu geben, möchte ich dir in diesem Artikel erklären. Los geht’s!

Deine Eizellen, die bereits während der Zeit im Bauch deiner Mutter gebildet werden, „lagern“ in deinen beiden Ovarien. Damit Eizellen sich entwickeln, brauchen sie unter anderem Signale von „oben“ - also vom Hypothalamus und der Hypophyse. Dort werden wichtige Hormone wie FSH und LH gebildet und über den Blutweg werden mittels dieser Hormone deine Eizellen zur Reifung angeregt. So eine Eizellreifung geht auch gar nicht so fix wie wir immer denken, denn bis eine Eizelle wirklich „reif“ und sprungbereit ist, vergehen ca. 3 Monate.

Ich erwähne die „Chefetage“ Gehirn mit Hypophyse nur, weil ja auch dort etwas schief gehen kann und die Eizellreifung stört – aber das wären andere Formen der Ovarialinsuffizienz.

Wir beschränken uns mal aufs POF also der „primären“ Form der ovariellen Insuffizienz von der schätzungsweise 1-4% aller Frauen betroffen sind. Warum man keine genaue Zahl hat? Weil man sich auch in der Forschungsliteratur oft nicht „grün“ ist, ob man nun Frauen unter 40 Jahren oder lieber Frauen unter 35 Jahren zählen sollte. Für dich ist das herzlich egal, wenn du davon betroffen bist...

Was bedeutet die primäre ovarielle Insuffizienz (POF) denn nun genau?


Die „primäre“ ovarielle Schwäche (die auch Hypergonadotroper Hypogonadismus genannt wird) bedeutet, dass entweder von Anfang an zu wenig Follikel angelegt worden sind oder die Follikel zu schnell absterben. Beides hat zur Folge, dass die Frau bereits mit Anfang/Mitte 30 Jahren nach und nach „Wechseljahre-Symptome“ entwickelt und über lange Zeit, manchmal Jahre, gar nicht mehr menstruiert. Es gibt aber auch Frauen, die merken von all dem erstmal nichts... und haben eher unregelmäßige und lange Zyklen.

Somit ist eine einheitliche Definition der POF wirklich schwierig. Meist wird sie beschrieben als:
  • Ausbleibende Menstruation (Amenorrhoe) bei gleichzeitig
  • hohen Geschlechtshormonwerten von FSH und LH. (FSH meist bei <40 IE/l)
  • AMH ist super niedrig – oft bereits im 0,0... Bereich oder unter der Nachweisgrenze. Das AMH (Anti-Müller-Hormon) sagt etwas über die Anzahl der verbliebenen Eizellen aus, da es von den vorhandenen „Früh-Follikeln“ im Eierstock gebildet wird. Und
  • sinkendes Östrogen, das für die „Wechseljahres-Symptome“ verantwortlich ist

Welche Symptome treten eigentlich bei der primären Ovarialinsuffizienz auf?

Die meisten Symptome haben etwas mit dem sinkenden Östrogenspiegel zu tun und sind somit „klassische“ Wechseljahre-Symptome wie:

Foto: pixabay_Martin Slavoljubovski
  • Müdigkeit + Erschöpfung
  • Psychische Veränderungen wie zum Beispiel Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, depressive Phasen
  • Haarausfall oder dünner werdende Haare
  • Schwitzattacken
  • Keine Lust auf Sex (sinkende Libido)
  • Gewichtszunahme
  • Trockene Schleimhäute
Da die primäre ovarielle Insuffizienz sehr unterschiedlich sein kann, gibt es eine Klassifizierung nach dem FSH-Wert man unterscheidet z.B. okkulte, biochemische, manifeste und vorzeitige Ovarialinsuffizienz.

Macht das für dich jetzt einen Unterschied? Wahrscheinlich nicht, denn du sitzt mit der Diagnose „vorzeitige Eierstockschwäche“ da und bist schier verzweifelt und fragst dich, wie das passieren konnte.

Was sind die Ursachen für die primäre Ovarialinsuffizienz (POF)?

Da die Funktion deiner Eierstöcke also von Hormonen abhängig ist und von der Anzahl der Eizellen, können dort auch die Ursachen dafür gesucht werden. Es kann sowohl genetische, endokrinologische als auch externe Faktoren geben, die diese feinen hormonellen Regelkreise der Eizellreifung stören, indem sie die Follikel z.B. schädigen oder zu früh absterben lassen.

Genetische Faktoren

Für gut funktionierende Eierstöcke braucht man zwei intakte X-Chromosomen. Es gibt vererbbare Erkrankungen, die eine Veränderung am X-Chromosom aufweisen wie:
  • Turner Syndrom, fragiles-X-Syndrom und Tripple-X-Syndrom, die zum POF führen können. In dem Fall kann es von der Mutter auch an die Tochter weitergegeben werden...
  • Es gibt aber auch spontane Mutationen die das X-Chromosom betreffen und dann zum Beispiel Zell-Rezeptoren für FSH verändern.

Immunologische Faktoren

Schätzungsweise in 30% aller Fälle von POF sind Autoimmunerkrankungen für die vorzeitige Abnahme der Eizellreserve verantwortlich. Durch das „übereifrige Immunsystem“ werden Organe in ihrer Funktion gestört, die jedoch wichtig für hormonelle Kreisläufe sind. Autoimmunerkrankungen, die zu POF führen können sind z.B:
  • Diabetes Typ 1
  • Morbus Crohn (Entzündliche Darmerkrankung)
  • Vitiligo („Weißfleckenkrankheit“)
  • Lupus Erythematodes (Entzündliche Erkrankung des Bindegewebes)
  • Rheumatoide Arthritis
  • Hashimoto (dazu gibt es zwei extra Blogartikel von mir)

Hormonelle Faktoren

Man weiß mittlerweile, dass Umweltbelastungen und Umweltgifte wie BPA, das sich z.B. in vielen Plastikprodukten, Lebensmittel-Folien aber auch in der Beschichtung von Kassenzettel befindet, hormonell wirksam sind. 

Foto: pixabay_Sabine van Erp
Das ist besonders in der Schwangerschaft ein Problem, da dann die „Ei-Anlage“ der Tochter geschädigt werden kann. Wenn deine Mutter mit solchen sogenannten „endokrinen Disruptoren“ die einfach in vielen Alltagsdingen stecken in der Schwangerschaft Kontakt hatte, kann das Einfluss auf die Anzahl deiner Follikel gehabt haben. Chemikalien, die die hormonelle Achse stören sind zum Beispiel:
  • Bisphenol A
  • Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Umweltverschmutzung der Luft durch Verbrennung)
  • Ackergifte, InsektenvernichtungsmittelHolzschutzmittel u.a.
  • Stress (Stress hat Auswirkungen auf dein hormonelles System und kann sich auf der körperlichen Ebene als relaiver „Östrogenmangel“ zeigen)

Weitere Faktoren, die eine primäre ovarielle Insuffizienz (POF) bewirken können

  • Zigaretten rauchen
  • Anorexia Nervosa (Mangelversorgung der Zellen)
  • In Folge extremer körperlicher und psychischer Erschöpfung
  • Schwere Virusinfektion (Mumps, Zytomegalie, Varizellen)
  • Verlust der Eierstöcke wegen OP (zum Beispiel bei Eierstockentzündung)
  • Chemo- und Radiotherapie bei Krebserkrankung
Foto: unsplash
Einige dieser Faktoren kannst du beeinflussen andere nicht... 

Wichtig zu wissen dabei ist: Bei einer verringerten Eizellreserve ist auch ein Versuch mit künstlicher Befruchtung schwierig, da meist trotz hoher hormoneller Stimulation nur 1-2 Eizellen gewonnen werden können. Ist das der Fall, gilt man als sogenannter „poor responder“. Oft werden IVF-Zyklen abgebrochen, da nur eine oder gar keine Eizelle im Ultraschall sichtbar ist. 

Leider scheint auch die Eizellqualität nicht sonderlich gut zu sein, denn Frauen mit POF weisen eine schlechtere Befruchtungsrate auf... Daher wird ihnen nach einigen gescheiterten ICSI-Versuchen oft zur „Eizellspende“ im Ausland geraten oder eben sich andere Gedanken zu Plan B zu machen.

Ist es tatsächlich so aussichtslos?? Nein, ich denke nicht. Lass uns mal schauen, was du tun kannst, wenn du von einer primären ovariellen Insuffizienz oder auch einfach „abnehmenden Eizellreserve“ betroffen bist.

Was du bei primärer ovarieller Insuffizienz tun kannst, um schwanger zu werden


Auch Kinderwunschkliniken beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit dem POF. So wurde z.B. in Japan eine ziemlich krasse Methode entwickelt bei der Teile des Eierstockes herausgenommen wurden. Diese Teile wurden zerstückelt und im Labor medikamentös behandelt, um gewisse Signalwege zu überbrücken und dann wurden diese Schnipsel den Frauen wieder implantiert. Von 27 POF-Patientinnen, die so behandelt worden sind, konnten bei 5 Frauen Eizellen für eine IVF entnommen werden und 2 Frauen wurden im Zeitraum der Studie schwanger. Diese Frauen hatten vorher im Durchschnitt seit 6,8 Jahren keine Menstruation. Ob diese Methode allerdings auch in Deutschland angeboten wird, weiß ich nicht.

In den USA, aber auch in anderen Ländern, setzt man auf DHEA – ein Hormon, dass als Nahrungsergänzungsmittel genommen wird. Dazu gab es 2010 die erste randomisierte Studie in Israel nach der die Frauen mit POF per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt worden sind. Die Studie zeigte, dass Frauen, die über 4 Monate DHEA einnahmen mehr reife Eizellen und eine bessere Embryonenqualität hatten

28% der Frauen der DHEA-Gruppe wurden im Studienzeitraum schwanger im Vergleich zu 10% der Kontrollgruppe. Und jetzt der Knaller: die DHEA-Gruppe hatte eine signifikant höhere Lebendgeburtsrate von 23% im Vergleich zu 4% der Kontrollgruppe! Das ist wirklich ein riesiger Unterschied!

In Deutschland scheint es noch eine ambivalente Haltung zu DHEA zu geben, denn klar, DHEA ist ein Hormon und greift in deinen gesamten Hormonhaushalt ein. Manche Kliniken empfehlen es, andere nicht. Dein Körper produziert zwar selbst auch DHEA, aber diese Produktion nimmt halt mit den Jahren ab.

Da es für die Östrogen- als auch Testosteronproduktion gebraucht wird, stimuliert eine Einnahme von DHEA auch beide Hormone was zu Nebenwirkungen wie: Haarwuchs im Gesicht, Akne und Haarausfall führen kann. Ausserdem sollten Frauen mit PCO und Krebs wegen der hormonellen Wirkung auf keinen Fall DHEA nehmen!

Im Buch von Rebecca Fett „Am Anfang ist das Ei“ werden 3 x 25mg/Tag DHEA empfohlen. Du könntest auch 1-2x 25mg/Tag nehmen. Das Buch ist für die Problematik „vorzeitige Abnahme der Eizellreserve“ eh eine Goldgrube,wenn du noch tiefer in das Thema einsteigen willst.

Auf der naturheilkundlichen Seite gibt es einige Pflanzen, die ebenfalls die Eierstockfunktion stärken können. Das sind z.B. Engelswurz (als Urtinktur Angelica archangelica von Ceres 1 x täglich 3 Tropfen), Satavari (wilder Spargel) und Beifuss (als Teekraut zusammen mit Engelswurz).

Ich gebe der ayurvedischen Tradition und der TCM erstmal das Körpergewebe zu entgiften und die „Lebenskraft“, im Ayurveda das Verdauungsfeuer „Agni“ zu stärken, absolut recht. Auch ich beginne meist mit einer Entgiftungsphase, weil danach deine Zellen und dein Organismus viel besser auf einen Heilreiz von Pflanzen oder Homöopathie reagieren kann. Homöopathisch kämen z.B. Ovaria comp. Globuli vonWala in Betracht, um die Eierstockfunktion und die hormonelle Achse zu stärken.

Gleichzeitig ist der Blick auf deine gute Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen wichtig. Auch die können besser aufgenommen und verwertet werden, wenn Organe wie Darm und Leber vorher gestärkt und entgiftet worden sind.

Foto: unsplash Nathan_Dumlao
Denn bedenke, auch wenn du eventuell nur noch wenige Eizellen hast, es kommt darauf an, dass du sie gut „versorgst“ und deren Versorgerorgane gestärkt sind. Daher „reicht“ es meist nicht, mal 14 Tage „irgendwas“ zu nehmen, es braucht eher einen längerfristigen Plan, der die Eizellreifung, die über 3 Monate verläuft, unterstützt. Also ja: 3 Monate, statt 3 Wochen. Und falls du in absehbarer Zeit einen IVF Versuch haben solltest, fange trotzdem schon an! Denn falls es nicht klappt und du einen 2. Versuch haben willst, dann bist du dafür weitaus besser aufgestellt.

Wenn du dich zu diesem Thema eingehender beraten lassen möchtest, frag mich gern nach einem individuellen Termin (online oder in meiner Praxis in Berlin)

Herzlichst, deine Kathrin



Wenn du mehr zum Thema lesen willst...

Bücher:


Rebecca Fett: Am Anfang ist das Ei. Wie neuste Forschung über Eizellen helfen kann, schwanger zu werden, künstliche Befruchtung zu unterstützen und Fehlgeburten vorzubeugen.

M. Madejsky: Praxishandbuch FrauenkräuterMit vielen Rezepten und praktischen Heilpflanzen-Anwendungen


Quellen:


Gestörte Weiblichkeit. Endokrine Disruptoren und das weibliche Fortpflanzungssystem
Ein Bericht über den Workshop „The Women´s Reproductive Health and the Environment” Herausgeber: WECF - Women in Europe for a Common Future e.V
2. Auflage, München 2012

R. Fett: Am Anfang ist das Ei: Wie neuste Forschung über Eizellen helfen kann, schwanger zu werden, künstliche Befruchtung zu unterstützen und Fehlgeburten vorzubeugen. 2019

M. M. Madejsky: Praxishandbuch Frauenkräuter.2019

L. Ursinus:
Mein Blut sagt mir …: Labor ganzheitlich. Taschenbuch 2019

Friedrich P. Graf: Homöopathie und die Gesunderhaltung von Frauen. 2013

I. Bender, J. Römer: Wenn der Kinderwunsch (k)eine Chance mehr hat.
https://www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/201304/ovarielle-insuffizienz


Aromatic hydrocarbon receptor-driven Bax gene expression is required for premature ovarian failure caused by biohazardous environmental chemicals. 2001

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